21.02.2005 - Gesellschaft
Von
Verhältnissen und Freundschafts-Ringen
Soziale
Beziehungen sind in hierarchisch angeordneten Kreisen strukturiert
Die
Strukturen von Freundes- und Bekanntenkreisen sind fast überall
auf der Welt gleich aufgebaut: Wie in einem Ringsystem gibt es einen
Kreis sehr enger Freunde, eine größerer Gruppe guter
Bekannter und mehrere noch größere Gruppen, zu denen
weniger intensive Beziehungen bestehen. Jeder Kreis besteht dabei aus
etwa dreimal so vielen Menschen wie der nächst kleinere, hat ein
französisch-amerikanisches Forscherteam nun entdeckt. Offenbar
ist demnach der Aufbau sozialer Netzwerke im menschlichen Gehirn fest
verdrahtet, berichtet der Online-Dienst
der Fachzeitschrift Science.
Je
größer die soziale Gruppe dabei wurde, desto mehr
Informationen über die einzelnen Individuen musste das Gehirn
speichern – und desto mehr Kapazität brauchte es, um die
komplizierten Wechselwirkungen zu koordinieren. Da das Gehirn
irgendwann an seine Kapazitätsgrenzen stößt, kann ein
Mensch auch nur mit einer begrenzten Gruppe von anderen Menschen in
Kontakt bleiben. Forscher schätzen, dass diese Grenze für
den Menschen bei etwa 150 Kontaktpersonen liegt. Innerhalb dieser
Gruppe von Bekannten gibt es jedoch klare Strukturen, die
konzentrisch angeordneten Ringen ähneln.
Der
intimste Kreis besteht dabei im Durchschnitt aus drei bis fünf
Personen, die beispielsweise in Krisenzeiten helfend eingreifen,
entdeckten die Wissenschaftler um Robin Dunbar von der Universität
von Liverpool. Sie hatten auf der Suche nach dem Aufbau der sozialen
Netze die Daten aus 61 internationalen Studien analysiert. Darüber
hinaus, so die Ergebnisse der Wissenschaftler, gibt es eine Gruppe
von zwölf bis zwanzig Menschen, zu denen besondere Beziehungen
bestehen, und mindestens drei weitere Kreise mit loseren Kontakten.
Die Anzahl der Menschen in den verschiedenen Kreisen steigert sich
dabei von Stufe zu Stufe um ziemlich genau den Faktor drei.
Warum
ausgerechnet die Drei eine so wesentliche Rolle beim Aufbau der
sozialen Netze spielt, wissen die Forscher allerdings nicht.
Bereits
vor längerer Zeit haben Anthropologen entdeckt, dass sich die
Muster der sozialen Netzwerke in praktisch allen menschlichen
Kulturen ähneln. Für Evolutionsbiologen ist das kein
Zufall: Sie halten die Bildung komplexer sozialer Strukturen nach der
so genannten Social-Brain-Hypothese für die entscheidende
Triebkraft bei der Entwicklung des menschlichen Gehirns.
Dunbar
vermutet jedoch, dass es irgendeinen evolutionären Hintergrund
für dieses Verhältnis geben muss. Andere Wissenschaftler
sind dagegen skeptisch, ob sich die komplexe Sozialstruktur des
Menschen tatsächlich mit so einfachen mathematischen Beziehungen
beschreiben lässt.
Die
Studie der Forscher ist als Online-Vorabveröffentlichung in den
Proceedings
of the Royal Society: Biological Sciences
erschienen (DOI: 10.1098/rspb.2004.2970).
ddp/wissenschaft.de
– Ilka Lehnen-Beyel
Quelle: http://www.wissenschaft.de/wissen/news/249376